Amylase-Trypsin-Inhibitoren: Wo sind sie drin?
Neben den Krankheitsbildern “Zöliakie” und “Weizenallergie” gibt es immer mehr Daten, die auf eine weitere Erkrankung in diesem Kontext hindeuten – die sogenannte „Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität“ (NZWS). Bislang konnte zwar noch kein eindeutiger Auslöser identifiziert werden, doch die Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI) stehen zunehmend im Fokus der Aufmerksamkeit. Wo sind sie drin?
Diskussion um “Weizensensitivität”
Neben den beiden bekannten Krankheitsbildern Zöliakie und Weizenallergie gibt es zunehmend experimentelle und klinische Beobachtungen, die auf einen weiteren Symptomkomplex im Zusammenhang mit Weizen und Gluten hinweisen. Dabei handelt es sich um das Konzept der sog. „Nicht-Zöliakie-Weizensensitivität“ (NZWS). Während für die Zöliakie und die Weizenallergie jedoch präzise diagnostische und klinische Kriterien existieren, ist das Krankheitsbild dieser “Weizensensitivität” umstritten.
Da neben der Frage nach der eigentlichen Existenz dieser Erkrankung auch die pathophysiologischen Zusammenhänge ungeklärt bzw. strittig sind, kursieren verschiedene Begriffe, die teilweise synonym gebraucht werden, so z. B. „Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität“, „Glutensensitivität“, „Weizensensitivität“ oder „glutensensitive Diarrhö“. Im englischsprachigen Bereich dominiert die Bezeichnung „non-celiac gluten sensitivity“ (NCGS).
An dieser Stelle soll es jedoch nicht um all die Diskussionen und Hypothesen rund um die “Weizensensitivität” gehen. Da in diesem Kontext häufig die Frage nach dem Gehalt von sog. Amylase-Trypsin-Inhibitoren in Lebensmitteln gestellt wird, soll hier eine erste Übersicht aufgrund neuester Forschungsergebnisse zur Verfügung gestellt werden. Ausführliche Darstellungen des Themas und detaillierte Tabellen finden sich hier und hier.
Fragliche Auslöser der “Weizensensitivität”
Es gibt zahlreiche Hypothesen dazu, welcher Inhaltsstoff von Lebensmitteln der Auslöser von “Weizensensitivität” sein könnte; diskutiert werden u. a. das Lektin Weizenkeim-Agglutinin (wheat germ agglutinin, WGA), Gluten (in einem Zöliakie-unabhängigen Mechanismus), Fruktane und Amylase-Trypsin-Inhibitoren. Daneben spielen vermutlich auch Faktoren wie die individuelle Veranlagung, der Immunstatus, die Zusammensetzung des intestinalen Mikrobioms und die Verarbeitung des Lebensmittels eine relevante Rolle. Einfache, eindimensionale Vorstellungen zur Krankheitsentstehung treffen vermutlich nicht zu.
Sind es die Amylase-Trypsin-Inhibitoren?
Die größte Aufmerksamkeit zur Entstehung der NZWS gilt zurzeit den Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI): Hierbei handelt es sich um eine Gruppe von Proteinen, die in Weizen und verwandten Getreidearten vorkommen. Ihre natürliche Funktion besteht u. a. in der Hemmung des Eiweißabbaus im Getreidekorn und in der Abwehr von Parasiten. ATIs sind bei Aufnahme mit der Nahrung sehr resistent gegenüber der Proteinverdauung im Darm; bekannt sind sie auch als ein ursächliches Allergen der Mehlstauballergie („Bäckerasthma“). Im Labor konnte gezeigt werden, dass ATIs das angeborene Immunsystem über den Toll-like Rezeptor 4 (TLR4) aktivieren (Zevallos et al. 2017); das könnte auch die bei NZWS beschriebenen Symptome außerhalb des Darmtraktes (Gliederschmerzen, Müdigkeit usw.) erklären (Junker et al. 2012).
ATIs aktivieren dendritische Zellen, Makrophagen und Monozyten
(Zevallos et al. 2017). Außerdem gibt es aus präklinischen Untersuchungen Hinweise
darauf, dass die ATIs in Weizen und anderen glutenhaltigen Getreidearten stärkere
Entzündungsreaktionen im Darm hervorrufen als ATIs in glutenfreien Lebensmitteln.
Eine Ursache für das vermehrte Auftreten von NZWS könnte die züchtungsbedingte Zunahme von ATIs in den modernen Hochleistungsweizensorten sein. Andererseits gibt es aber auch alte Weizensorten, die hohe Konzentrationen an ATIs aufweisen. Daneben gibt es Einkorn-Sorten, die praktisch ATI-frei sind, während umgekehrt Dinkel nicht automatisch ATI-arm ist, sondern es auch hier sorten- und anbauspezifische Unterschiede gibt.
Amylase-Trypsin-Inhibitoren in Lebensmitteln
Bislang gibt es – anders als für Gluten, Fructose, Lactose usw. – keine umfassenden Listen, aus denen man den ATI-Gehalt von Lebensmitteln entnehmen könnte. Basierend auf bislang kaum bekannten Forschungsergebnissen wird hier eine kurze Übersicht zur ATI-Aktivität in unverarbeiteten Pflanzenarten (Tab. 1) sowie in Lebensmitteln (Tab. 2) zur Verfügung gestellt. Die relativen Angaben der immunologischen ATI-Bioaktivität beziehen sich auf die Bioaktivität aus handelsüblichem Weizenmehl (100 %), bestimmt als IL-8-Freisetzung aus THP-1-Zellen (Zevallos et al. 2017).
Bei Nutzung beider Tabellen muss jedoch beachtet werden: Zum Vorgehen bei einer ATI-armen Ernährung gibt es bislang keinerlei ernährungstherapeutische Empfehlungen, da sich sämtliche Forschungen hierzu noch im experimentellen Stadium befinden. Ausdrücklich sei darauf hingewiesen, dass der ernährungstherapeutische Ansatz einer ATI-armen Ernährung zur Behandlung einer “Weizensensitivität” bislang weder hinsichtlich seiner Wirksamkeit evaluiert noch wissenschaftlich überprüft ist. Wie für die FODMAP-arme Diät fehlen auch für die ATI-arme Ernährung Erkenntnisse zur langfristigen Sicherheit in Form einer Dauerernährung.
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