Fischölkapseln: unwirksam auch bei Diabetikern
Erst Anfang 2018 hatte eine methodisch sehr gute Metaanalyse gezeigt, dass Omega-3-Supplemente ohne Effekt auf das kardiovaskuläre Risiko sind. Dies bestätigen nun die Ergebnisse der bisher größte, placebokontrollierte Studie mit über 15.000 Diabetikern. Fischölkapseln bleiben unwirksam.
Die Vorgeschichte
Aus Beobachtungsstudien ist seit Langem bekannt, dass regelmäßiger Fischkonsum mit einem reduzierten Risiko für koronare Herzkrankheit assoziiert ist. Daraus entstand die Idee eines möglicherweise schützenden Effektes durch isolierte Omega-3-Fettsäuren („Fischölkapseln”). Dieser Zusammenhang zwischen Omega-3-Fettsäuren und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wurde an anderer Stelle bereits ausführlich diskutiert (“Schützen Omega-3-Fettsäuren vor Herzinfarkt?”).
Eine Anfang 2018 publizierte Metaanalyse wertete Daten von 77.917 Patienten aus zehn Einzelstudien aus (Aung et al. JAMA Cardiology 2018). Die Dosisspanne der verwendeten Omega-3-Supplemente lag für Eicosapentaensäure (EPA) bei 226 – 1.800 mg/Tag und für Docosahexaensäure (DHA) bei 0 – 1.700 mg/Tag. Untersucht wurde der mögliche Effekt der Omega-3-Fettsäuren auf die Häufigkeit von tödlichem Herzversagen, Herzinfarkt, Schlaganfall, kardiovaskulären Ereignissen und Gesamtsterblichkeit.
Das Ergebnis war eindeutig: Für keinen der genannten Endpunkte gab es irgendeinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der Einnahme von Omega-3-Supplementen und der Häufigkeit der Ereignisse. In der Subgruppen-Analyse bestätigte sich dieser Nicht-Zusammenhang für Patienten mit Fettstoffwechselstörungen oder Diabetes.
ASCEND-Studie: Fischölkapseln bei Diabetikern
Da Diabetiker häufig ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen mitbringen, liegt auf der Prävention dieser Krankheiten ein besonderer Schwerpunkt. Deshalb untersuchten die Wissenschaftler um Louisa Bowman aus Oxford (UK) noch einmal speziell die möglicherweise protektive Wirkung von Fischölkapseln bei Diabetikern. Die Ergebnisse dieser ASCEND-Studie stellte die Studienleiterin in dieser Woche auf dem ESC-Kongress der europäischen Kardiologen in München vor. Es handelt sich dabei um die größte bisher durchgeführte randomisiert-kontrollierte Studie zu Fischöl-Supplementen. Das Design der ASCEND-Studie wurde im April 2018 publiziert (Bowman et al. AHJ 2018), nun folgten die Ergebnisse (Bowman et al. NEJM 2018).
In der ASCEND-Studie wurde placebokontrolliert untersucht, ob die Einnahme von Fischölkapseln Diabetiker vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützt. Dazu erhielten 15.480 (!) Diabetiker über im Mittel 7,4 Jahre entweder Fischölkapseln oder ein Placebopräparat. Die einmal täglich eingenommene Fischölkapsel enthielt 380 mg Docosahexaensäure und 460 mg Eicosapentaensäure. Nach Ende der Studie zeigten sich zwischen Fischöl- und Placebogruppe keinerlei Unterschiede hinsichtlich der Häufigkeit von Herzinfarkten, Schlaganfällen, Herz-Kreislauf-bedingten Todesfällen oder Krebserkrankungen.
Fazit: Fischölkapseln auch bei Diabetikern unwirksam
Das Fazit der Studienleiterin Louise Bowman ist bei der Vorstellung der Studienergebnisse entsprechend eindeutig: „Es gibt keine Rechtfertigung dafür, Fischölkapseln als Schutz vor Herzkreislauf-Erkrankungen zu empfehlen.” Was natürlich niemand weiß ist, ob andere Dosierungen über andere Zeiträume andere Ergebnisse geliefert hätten. Doch das bleibt reine Spekulation.
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Sehr geehrter Herr Prof. Smollich,
danke für den interessanten Beitrag. Medizinisch ist ja längst bekannt, dass isolierte Produkte, die nicht mehr im natürlichen Verbund mit vielen anderen Stoffen sind, oftmals keine oder sogar gegenteilige Wirkungen entfalten können. Interessant wäre in diesem Zusammenhang die Komplexität von “frischem Leinöl” zu untersuchen, welches in der Ernährung in Mitteleuropa früher fester Bestandteil war und in vielen regionalen Klimazonen weltweit kultivierbar ist. Natürliches Omega 3 ist dazu auch in vielen Süßwasserfischen enthalten, nicht nur in Meeresfischen bis hin zum Krill – Produkte mit Krill und die Gewinnung sollten möglichst schnell weltweit verboten werden, wir zerstören damit eine grundlegende Nahrungskette aller im Meer lebenden Organismen.
Lieber Herr Straube, vielen Dank für die interessanten und wichtigen Punkte, die Sie ergänzen. Auch auf diesen Gebieten gibt es noch sehr viel zu tun.
Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag mit Verweis auf die neueste Studie und in diesem Zusammenhang auch für das aufschlussreiche Webinar über Nahrungsergänzungsmittel der AKWL vom 28.11.!
Mir lässt das Thema Omega-3 Fettsäuren einfach keine Ruhe, wie sieht es denn aktuell aus bei chronisch entzündlichen Erkrankungen (zB Rheuma) sowie Depressionen?
Ich habe bei Pubmed die eine oder andere Studie gefunden, die einen Nutzen nachweisen soll, bin aber ohnehin vorsichtig bei Empfehlungen von NEM mit Fischöl, da diese sehr oft hohe Mengen an Vitamin E als Antioxidans enthalten…
Liebe Frau Müller, danke für Ihre positive Rückmeldung! Die Anwendung von Omega-3-Fettsäuren bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen oder Depressionen ist ein sehr spannendes Thema – die Daten dazu erfordern aber eine ausführlichere Diskussion. Ganz kurz zusammengefasst kann man sagen, dass es gerade für die Anwendung von Omega-3-Supplementen bei diesen Indikationen noch keine gute Evidenz gibt, aber vermutlich ist an dem therapeutischen Potenzial doch etwas dran. Offen sind allerdings z. B. noch die Fragen von Dosierung, technologischer Spezifikation, Personalisierung und optimale EPA/DHA-Relation.
Lieber Herr Smollich, damit bestätigen Sie auch meine Einschätzung zu der derzeitigen Studienlage, vielen Dank für Ihre Antwort! Finde das Thema Mikronährstoffe sehr interessant und versuche mich im Apothekenalltag durch den Dschungel von veröffentlichten Studien zu kämpfen, da ist es sehr hilfreich wenn man noch einmal eine professionelle Einschätzung der Dinge bekommt.