Demenz trotz Multivitaminen
Der Markt für Nahrungsergänzungsmittel zur Demenzprävention boomt: Besonders häufig finden sich dabei Multivitaminpräparate und bestimmte Pflanzenextrakte aus Ginkgo oder Soja. Zwei aktuelle Metaanalysen beleuchten die Möglichkeiten der Demenzprävention mit Supplementen und Arzneimitteln.
Vitamine und Pflanzenextrakte zur Demenzprävention
Zwei Übersichtsarbeiten in der aktuellen Ausgabe der Annals of Internal Medicine stellen die Datenlage zur Demenzprävention mit Nahrungsergänzungsmitteln und Arzneimitteln zusammen. Im ersten Review (Butler et al. 2018) wurden 38 randomisiert-kontrollierte klinische Studien mit Nahrungsergänzungsmitteln und frei verkäuflichen Arzneimitteln (OTC) ausgewertet. Durchgeführt wurden die Studien an gesunden Probanden, deren kognitive Funktionen über mindestens sechs Monate bestimmt wurden. Die in den Studien verwendete Substanzen waren Omega-3-Fettsäuren, Ginkgo, Soja, β-Carotin, verschiedene B-Vitamine, Vitamin D plus Calcium sowie Multivitaminpräparate (mehr zu den Vitaminen hier). Das Fazit der Autoren war – mal wieder – eindeutig: In keinem Fall zeigte sich ein Hinweis darauf, dass die Supplemente der Entwicklung von leichten kognitiven Beeinträchtigungen (mild cognitive impairment, MCI) bzw. von Alzheimer-Demenz vorbeugen können. Oder, um es mit den Worten der Autoren zu sagen: “Evidence is insufficient to recommend any OTC supplement for cognitive protection in adults with normal cognition or MCI.”
Die Empfehlung all dieser Nahrungsergänzungsmittel ist also ohne jede Evidenz. Daneben gibt es immer wieder deutliche Hinweise auf gravierende Nebenwirkungen von hochdosierten Vitamin-Supplementen, so z. B. Nierenversagen durch Vitamin D oder Lungenkrebs durch B-Vitamine.
Arzneistoffe ebenfalls unwirksam
Das zweite Review (Fink et al. 2018) liefert einen Überblick zur Studienlage hinsichtlich der Frage, ob vielleicht Arzneistoffe zur Demenzprävention geeignet sind. Dabei wurden 51 klinische Studien mit Arzneistoffen ausgewertet, die immer wieder unter dem Aspekt einer möglichen antidementiven Wirksamkeit diskutiert werden. In den eingeschlossenen Studien waren dies sog. Antidementiva, Antidiabetika, Blutdrucksenker, Acetylsalicylsäure, nicht-steroidale Antiphlogistika (z. B. Ibuprofen), Sexualhormone und Statine. Auch hierbei konnte in keinem Fall eine demenzpräventive Wirkung nachgewiesen werden: “Evidence does not support use of the studied pharmacologic treatments for cognitive protection in persons with normal cognition or MCI”. Statt der erwünschten demenzpräventiven Wirkung wurden aber insbesondere für die verwendeten Sexualhormone (Östrogen, Raloxifen) schwerwiegende Nebenwirkungen wie Thrombosen und Krebs dokumentiert.
Aussagekräftige Studie ist eigentlich unmöglich
Ehrlicherweise muss man einräumen, dass die Beobachtungszeit in den Studien (mehrere Monate) in Bezug auf die Entstehung von Demenzerkrankungen relativ kurz ist. Niemand weiß, ob diese Supplemente oder Arzneistoffe nicht vielleicht doch wirken würden, wenn man sie über Jahrzehnte einnehmen würde. Die Durchführung einer solchen Studie wäre aber sowohl finanziell als auch methodisch praktisch ein Ding der Unmöglichkeit.
Dennoch darf diese Unmöglichkeit nicht dazu führen, dass den verwendeten Substanzen Wirkungen zugeschrieben werden, die definitiv nicht nachgewiesen sind. Natürlich kann man sie über Jahrzehnte einnehmen und hoffen, dass sie wirksam sind und dass die Nebenwirkungen dem präventiven Vorteil nicht einen Strich durch die Rechnung machen. Doch in diesem Fall sollte klar sein: Ob solch eine Demenzprävention wirkt oder nicht, ist reine Spekulation – ohne den Hauch einer wissenschaftlichen Evidenz.
Gleiches gilt übrigens auch für Nährstoffdrinks wie Souvenaid®, die sogar mit dem fragwürdigen Slogan “Zur diätetischen Behandlung der Alzheimer-Krankheit” beworben werden. Sinnvoller wäre es stattdessen, sich auf die wirksamen Möglichkeiten der Demenzprävention – Lebensstilmodifikation und Ernährung – zu konzentrieren.
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Sehr geehrter Herr Dr. Smollich,
ein sehr guter Beitrag!! Mit offen Augen durch die Realität!
Haben Sie schon davon gehört, dass (neuerdings) die regelmäßige Einnahme von Kokosfett bzw. MCT Fetten als Prävention von Alzheimer-Demenz “gehandelt” wird?
Mit herzlichen Grüßen
Barbara Contzen
Liebe Frau Contzen, danke für Ihr positives Feedback! Davon, dass jetzt auch zunehmend Kokosfett und MCT-Fette zur Demenzprävention “gehandelt” werden, habe ich tatsächlich schon gehört. Gerade für das Kokosfett ist es ja mitunter mehr als abenteuerlich, was dort erhofft und beworben wird. Ich werde mir das Thema mal in einem neuen Beitrag vornehmen – vielen Dank für Ihre Anregung!
Guten Abend Herr Dr. Smollich,
wie bewerten Sie die gleichzeitige Einnahme von Vitamin K2.
Das kommt hier gar nicht zur Sprache oder habe ich etwas überlesen?
Viele Grüße
Hallo Frau Heußler,
Vitamin K2 besitzt für die Physiologie im menschlichen Körper und bei der Entstehung verschiedener Krankheiten eine essenzielle/wichtige Rolle. Allerdings gibt es bis dato keine aussagekräftigen Studien an Menschen, die eine Wirksamkeit entsprechender Supplemente zeigen. Damit meine ich Studien, die nicht Effekte auf Laborwerte untersuchen, sondern die einen Gesundheitsvorteil durch Vitamin-K2-Gabe belegen würden. Daher kann man an dieser Stelle auch keine Empfehlung zur Anwendung, Dosierung oder Sinnhaftigkeit von Vitamin-K2-Supplementen abgeben.
Sehr interessanter Artikel. Vielen Dank für die informative Bereicherung!
Sehr interessant! Ein Vitamin B12-Mangel wird ebenfalls mit Demenz in Verbindung gebracht.